Themenhighlight März: Ausgründungen und Transfer
Eine Schraube revolutioniert den Holzbau
„Wieso gibt es keine langen Schrauben für den Holzbau?“, fragte sich Professor Hans Joachim Blaß vor rund 20 Jahren. „Kurze Schrauben gibt es seit über 150 Jahren, aber Schrauben mit Längen von 60 Zentimetern bis über einem Meter gab es einfach nicht“, erinnert sich Blaß. „Wir wollten wissen, ob Holzverbindungen mit solchen Schrauben hohen Zug- und Druckbelastungen standhalten können. Die Industrie war nicht überzeugt und sagte uns damals, es gebe keinen Markt dafür.“ Schließlich gelang es Blaß und seinem Team doch, einen Industriepartner zu gewinnen, der testweise die gewünschten langen Schrauben zur Verfügung stellte.
Unzählige technische und wissenschaftliche Versuche folgten - und tatsächlich: Je nachdem in welchem Winkel die Schrauben ins Holz eingedreht wurden, konnten sie die Bauteile sehr gut verstärken. Dieser Effet trat ein sowohl wenn die Holzelemente auf Druck als auch auf Zug belastet waren. Diese Innovation revolutionierte die Branche und machte den Weg frei für den weltweiten Holzbauboom. Sehr viel größere Holzkonstruktionen, sogar Hochhäuser und Brücken, konnten gebaut, gleichzeitig Holzmaterial gespart werden.
Für seine bahnbrechenden Arbeiten erhielt Blaß 2010 in Stockholm aus der Hand des schwedischen Königs Carl Gustaf den Marcus-Wallenberg-Preis – den „Nobelpreis“ der Holz- und Forstwirtschaft. Und auch der Markt gibt Blaß recht: „Innerhalb von 20 Jahren sind Schrauben von einem absoluten Nischenprodukt zum mit Abstand wichtigsten Holzverbindungsmittel geworden“, berichtet er.
Themenhighlight Februar: Women in Science
Mit VR-Brille und Rollstuhl zum Strand
Wie wäre es mit einem Strandausflug? Für Personen ohne Behinderung meist kein Problem – sie müssen sich nur die Zeit dafür nehmen. Für Menschen mit einer Mobilitätseinschränkung ist das jedoch komplizierter, weil barrierefreie Zugänge zum Wasser oft fehlen. Doch nicht nur das Eintauchen ins Meer, auch das Eintauchen in virtuelle Welten ist für behinderte Menschen nicht selbstverständlich. Hier setzt die Forschung von Kathrin Gerling, Professorin für Mensch-Maschine-Interaktion und Barrierefreiheit und Co-Leiterin des Reallabors „Barrierefreiheit“ am Institut für Anthropomatik und Robotik (IAR) des KIT, an. Die leidenschaftliche Gamerin möchte dank barrierefreier Virtual Reality behinderten Menschen gleichberechtigte Teilhabe an virtuellen Erlebnissen ermöglichen – zum Beispiel auch einen entspannenden Strandausflug.
Dass Virtuelle Realität für Menschen mit Behinderung oft nicht zugänglich ist, mag überraschen. „Doch Hardware oder Spieldesign bieten selten ein immersives Erlebnis“, so Gerling. Wer einen Rollstuhl oder andere Gehhilfen benutzt, stößt auf Hürden – etwa bei Joysticks, die die Hände blockieren. So arbeitet sie mit ihrem Team zusammen an interaktiven Systemen, die zum Beispiel mit Handschuhen funktionieren.
Dass sich Gerling diesem Thema widmet, hat mit der Erkenntnis zu tun, dass vieles für behinderte Menschen sehr funktional gedacht ist. „Wichtig im Leben ist aber auch, was Freude macht“, so die Interaktions-Expertin, die 2023 einen der prestigeträchtigen ERC Starting Grants der EU für ihre Forschung eingeworben hat. „Das Eintauchen in barrierefreie virtuelle Welten für Sport, Spielen oder Freizeit allgemein, ist eine Frage der Gerechtigkeit.“ (iha)
Themenhighlight Januar: 200 Jahre KIT
Kein Smartphone ohne Otto Lehmann
Fest – flüssig – gasförmig: diese drei Zustände lernt jedes Kind in der Grundschule. Dass es darüber hinaus noch einen vierten Aggregatszustand zwischen fest und flüssig geben könnte, das entdeckte der Physiker Otto Lehmann. Am 13. Januar 2025 jährt sich sein Geburtstag zum 170sten Mal.
Otto Lehmanns Forschergeist leuchtet uns heute von Tablets und Smartphones entgegen: Als Professor für Physik entwickelte er an der Technischen Hochschule Karlsruhe ein neuartiges Mikroskop mit eigener Lichtquelle und Gasversorgung, um den Probentisch zu beheizen. Mit diesem konnte er das Schmelz- und Kristallisationsverhalten chemischer Substanzen beobachten. So erkannte er Phasen, die Eigenschaften sowohl von Flüssigkeiten als auch von Kristallen haben.
1904 veröffentlichte er die bahnbrechenden Forschungsergebnisse in seinem Buch „Flüssige Kristalle“. Für seine Forschung wurde er von seinen damaligen Kollegen belächelt. Doch ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschäftigte sich die Wissenschaft wieder mit flüssigen Kristallen. 1971 waren die ersten Flüssigkristallanzeigen entwickelt und Lehmann rehabilitiert.